"Ich möchte anderen helfen, damit sie nicht aufgeben" - Leben mit parenteraler Ernährung
Dies war der Beginn einer möglicherweise einzigartigen medizinischen Geschichte: Seit der Operation fehlt ihm ein großer Teil seines Dünndarms, ohne den der Körper die Nahrung nicht aufspalten kann, um wichtige Nährstoffe wie Fett, Cholesterin und Vitamine zu gewinnen. Anthony kann zwar noch essen, aber die Nahrung verlässt seinen Körper fast vollständig unverdaut. Deshalb ist er auf parenterale Ernährung angewiesen - eine speziell zusammengesetzte Lösung, die alle wichtigen Nährstoffe enthält und ihm direkt in die Blutbahn verabreicht wird. "Ein mit Flüssigkeit gefüllter Beutel wurde zu meinem ständigen Begleiter", sagt Anthony und grinst.
Anthony verlor einen großen Teil seines Dünndarms aufgrund einer seltenen Form des Darmverschlusses, als er erst 8 Jahre alt war. Hier wird er von Dr. Benjamin Berlemann, Oberarzt in der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des HELIOS Klinikums Duisburg, Deutschland, untersucht.
Wer den fröhlichen und charmanten 20-Jährigen heute trifft, ahnt nicht, welche Last er zu tragen hatte, denn klinische Ernährung erfordert eine genaue Planung und viel Aufwand. Das ist für junge Menschen schwierig - ja, selbst für die Ärzte ist es kompliziert. "Wir mischen die Nährstoffmischung immer noch jede Woche neu zusammen, weil sich seine Lebensumstände ständig ändern", erklärt Dr. Peter Seiffert, Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am HELIOS Klinikum Duisburg, der Anthony von Anfang an behandelt hat. Die richtige Mischung für die parenterale Ernährung ist ein Balanceakt, denn die Nährstoffe müssen auf das Milligramm genau dosiert werden. Im Wachstum oder bei körperlicher Belastung braucht der Körper mehr Energie, und Anthony nimmt auch alle seine Medikamente parenteral ein. "In den ersten Wochen nach der Operation musste er bis zu 20 Stunden am Tag liegen, während die Nährstoffe über einen Katheter in seine Blutbahn geleitet wurden", erklärt Dr. Seiffert. "Heute reicht es glücklicherweise aus, wenn der Beutel über Nacht angebracht wird." Der Anschluss für den Katheter wird direkt unter Anthonys linker Schulter implantiert und muss steril gehalten werden, was einen ständigen Verbandswechsel erfordert. Daran musste er sich erst einmal gewöhnen. "Es gab Zeiten, in denen ich wütend war, weil alles so kompliziert war", gibt Anthony zu. "Ich wollte einfach nur Fußball spielen und mein Leben leben, wie die anderen Kinder in meinem Alter.
Die Ärzte verstanden das und setzten ihn so schnell wie möglich auf die Liste für eine Transplantation; der Eingriff fand statt, als er 10 Jahre alt war, aber Anthonys Körper reagierte schlecht auf den transplantierten Dünndarm und er musste entfernt werden. In den folgenden Jahren gab es weitere medizinische Rückschläge, darunter Infektionen der Leber und der Bauchspeicheldrüse, und Anthony verlor aufgrund eines Vitaminmangels sogar für mehrere Tage sein Augenlicht. Doch das Schlimmste kam 2010, als er 14 Jahre alt war und an Tuberkulose erkrankte: Die Bakterien wanderten nicht nur in die Lunge, sondern auch in die Wirbelsäule, die Gelenke und das Gehirn. Ohne eine langwierige medikamentöse Therapie und ständige medizinische Betreuung hätte er es vielleicht nicht geschafft.
Vielleicht ist es nicht verwunderlich, dass Dr. Seiffert und sein Team fast zu einer zweiten Familie geworden sind, und die enge Beziehung zeigt sich in Anthonys freudiger Reaktion, wenn der Arzt zu einer Konsultation in sein Zimmer kommt, die schließlich mit regelmäßigem Lachen unterbrochen wird. "Ich kenne praktisch jeden hier auf der Station - manchmal spielen wir sogar zusammen Fußball", sagt Anthony. "Ohne sie wäre ich wahrscheinlich nicht mehr am Leben."
Gut gelaunt und einsatzbereit: Wer Anthony zum ersten Mal begegnet, ahnt nicht, welch großen Herausforderungen sich der 20-jährige Junge bereits stellen musste.
Ohne seine Krankheit wäre er vielleicht sogar Profifußballer geworden, sagt Anthony, und das Lächeln, das dieser Aussage folgt, gepaart mit seinem Humor und seiner freundlichen Art, zeigt, dass er sich mit seinen gesundheitlichen Problemen arrangiert hat. Tatsächlich macht er jetzt ein Praktikum in der Ernährungsklinik des HELIOS St. Johannes-Krankenhauses und möchte Ernährungsmedizin studieren. Er hat in seinem Leben schon viel darüber gelernt und möchte mit Kindern arbeiten, die dasselbe durchmachen wie er. "Ich möchte anderen helfen, damit sie nicht aufgeben", sagt Anthony.
Fotos: © Myriam Kasten